Markenwirkung, Szene & Fragen
Du bist einkaufen und brauchst ein neues Portemonnaie, nichts Besonderes. Nur etwas, das dein Geld zusammenhält. Du greifst zuerst zu einem einfachen Modell: zehn Euro, echtes Leder, völlig solide.
Dann siehst du ein zweites: zweihundertfünfzig Euro, auch aus Leder. Gleiche Funktion. Gleicher Zweck, und trotzdem zieht dich das teurere an. Ohne dass du es laut aussprichst, schießen dir Gedanken durch den Kopf:
- „Das sieht wertiger aus.“
- „Das hält bestimmt länger.“
- „Damit fühle ich mich besser.“
- „Das ist was Ordentliches.“
- „Vielleicht sogar ein Stück Status.“
- „Ich habe so hart gearbeitet, ich gönne mir mal was Anständiges.“
Das Interessante: All diese Gedanken passieren, bevor du überhaupt geprüft hast, ob das stimmt. Und du willst es auch nicht prüfen. Warum ist das so? Warum fühlt sich das teure Portemonnaie „richtiger“ an, obwohl beide dieselbe Aufgabe erfüllen?
Was genau löst diese Sicherheit aus? Und warum verteidigt du deinen Kauf vor Anderen und sagst dir: Das verstehen die nicht! Warum wirkt ein Preis wie ein Qualitätsversprechen? Und warum haben wir plötzlich zehn Gründe parat, die uns logisch erscheinen – obwohl sie nicht logisch begonnen haben?
Das No-Name-Produkt ohne Story und Gefühl für 20 Euro ist und aber zu teuer. Zugegeben, nicht jeder entscheidet so und nicht jeder kann sich das leisten. Das Wichtigste: Die Kunden, die du brauchst, die klnnen diese Entscheidung treffen und haben Ansprüche. Nicht jeder ist dein Zielkunde, aber jeder, der deinen Preis nicht zahlen will, stellt deinen Wert infrage.
Die Frage ist dann nur: hast du deinen Wert nicht richtig kommuniziert oder kann er sich dich nicht leisten? Wenn du gut bist, findest du genug Kunden, die deinen Wert zu schätzen wissen und den anderen bleibt nur der Preis und die Anbieter, die nur billig können, weil sie nichts anderes zu bieten haben.
Hier beginnt Markenwirkung. Wir entscheiden nicht über Material, Nähte und Fächer, wir entscheiden über Gefühle, Erwartungen und kleine innere Geschichten, die in Sekunden entstehen.
Eine Marke gibt diesen Geschichten Struktur. Sie schafft ein Bild im Kopf – vertraut, wertig, richtig. Und dieses Bild trifft die Entscheidung, bevor wir es bewusst merken.
Zwei Produkte. Zwei Preise. Zwei völlig unterschiedliche Reaktionen. Nicht wegen der Funktion, des Materials oder der Logik. Sondern wegen der Marke, die im entscheidenden Moment das bessere Gefühl erzeugt.
Der Kontext formt die Wahrnehmung
Ob wir etwas mögen, ablehnen oder völlig falsch einschätzen – hängt oft nicht vom Inhalt ab, sondern vom Rahmen, in dem wir es sehen. Diesen Rahmen nennen wir „Frame“. Es ist der gedankliche Kontext, der bestimmt, wie wir Informationen interpretieren, ob wir etwas als Chance oder Risiko sehen. Ob wir bei einem Angebot neugierig werden oder misstrauisch. Ob wir handeln – oder zögern.
Eine Zahl wie „90 % Erfolgsquote“ klingt motivierend. Die exakt gleiche Information als „10 % scheitern“ fühlt sich völlig anders an. Gleiche Fakten. Anderer Frame. Andere Emotion.
Marken, die ihren Frame bewusst setzen, steuern ihre Wahrnehmung – nicht durch Manipulation, sondern durch Bedeutung. Sprache, Bilder, Farben, Tonfall, Auftreten: Alles formt den Rahmen, in dem Menschen deine Marke sehen. Man spürt das bei den großen Beispielen sofort:
McDonald’s – früher ein Frame, heute ein anderer
Für viele war McDonald’s früher kein Essen. Es war Kindergeburtstag, Freiheit, Spaß, Pommes mit der Hand essen, ein Ort, an dem Regeln kurz Pause hatten. Das war der Frame. Dann kamen Bestellautomaten, FFP2-Gefühle, sterile Abläufe. Plötzlich ist es „funktionales Essen“ statt „Abenteuer“. Der Frame ist weg – und damit ein Teil der Wirkung.
Häagen-Dazs – das Eis, das eigentlich eine Praline ist
Häagen-Dazs verkauft nicht „Eis“. Ihr Frame ist Praline, Genuss, höchste Qualität. Kleine Becher, schwere Fotos, goldene Schrift, sinnliche Werbung. Deshalb akzeptieren wir den Preis – wir kaufen nicht Eis, wir kaufen ein Gefühl.
Luxusmarken – der Frame heißt Status
Burberry, Chanel, Dior. Ihr Frame ist Status – und Status funktioniert nur, wenn sich nicht jeder das Produkt leisten kann. Deshalb gibt es keine Chanel-Outlets. Deshalb wird Ware vernichtet statt verramscht. Der Frame muss sauber bleiben, sonst fällt das ganze System zusammen. Frames bestimmen, wo Menschen deine Marke im Kopf ablegen:
Bei „günstig“, bei „qualitativ“, bei „vertrauenswürdig“, bei „Status“, bei „Zu teuer“, bei „Lohnt sich“, bei „Fühlt sich gut an“.
Wenn du deinen Frame nicht setzt, tut es jemand anderes – und meistens schlechter.
Warum der erste Eindruck den Preis bestimmt
Du sitzt in einem Wohnzimmer, das du vielleicht bald kaufen willst. Der Makler lächelt, legt die Mappe zur Seite und sagt ganz beiläufig: „Der Verkäufer stellt sich 800.000 Euro vor.“
Bumm, da liegt der Anker.
In dem Moment passiert im Kopf etwas Hochinteressantes: Plötzlich wirken 750.000 wie ein kluger Verhandlungserfolg. Und 900.000 wirken nicht mehr absurd – nur „ein bisschen drüber“. Ob das Haus objektiv 600.000 oder 850.000 wert ist, spielt in diesem Moment kaum noch eine Rolle.
Warum? Weil der erste Wert, den wir hören, unser gesamtes Bewertungssystem verschiebt. Das nennt man den Anchoring-Effekt, einen der am besten belegten psychologischen Mechanismen überhaupt.
Was Studien zeigen
1. Ariely & Kahneman – Zahlen verzerren Bewertung
Probanden sollten schätzen, was etwas kostet.
Vorher mussten sie eine zufällige Zahl notieren, die nichts mit dem Produkt zu tun hatte.
Trotzdem beeinflusste diese Zahl die spätere Einschätzung massiv.
→ Das Gehirn greift sich den ersten Wert, den es findet – egal ob relevant oder nicht.
2. Priming-Studien mit Autos
Menschen sahen vor der Preisfrage Bilder von Luxusautos oder Kleinwagen.
Danach sollten sie schätzen, „was ein Auto kostet“.
→ Gruppe „Luxus“ nannte höhere Preise.
→ Gruppe „Kleinwagen“ deutlich niedrigere.
Gleiche Frage.
Anderes Umfeld.
Komplett andere Wahrnehmung.
3. Verhandlungsexperimente
Wer die erste Zahl nennt, gewinnt häufiger – auch wenn sie künstlich hoch ist.
→ Der Anker wird die neue Realität, an der alle Argumente gemessen werden.
Zurück im Wohnzimmer.
Du sagst:
„800.000? Das ist viel. Ich würde 750.000 bieten.“
Das fühlt sich fair an.
Logisch.
Durchdacht.
Aber warum?
Weil 750.000 nicht neutral bewertet wird – sondern im Verhältnis zu 800.000.
Der Anker hat deinen Blickwinkel verändert.
Objektiv? Egal.
Psychologisch? Hochwirksam.
Was das mit Marken zu tun hat
Das alles passiert auch bei Produkten, Dienstleistungen, Angeboten – und Marken.
Wenn der erste Eindruck stimmt, wirken:
- höhere Preise fairer
- Angebote wertiger
- Entscheidungen logischer
- Vergleiche unwichtig
Marken, die ihren Anker klar setzen, wirken stabil, verlässlich und selbstbewusst.
Marken, die ihren Anker ständig verschieben („heute Rabatt, morgen teuer, übermorgen Aktion“), verlieren Orientierung – und damit Preisstärke.
Der Anker bestimmt nicht nur den Preis, sondern das Gefühl dafür, wie sich dieser Preis anfühlt.
was Du davon hast
Anker und Priming sind keine Verkaufstricks. Es sind sehr gut erforschte Mechanismen, die bestimmen, wie Menschen Werte wahrnehmen.
Wir nutzen sie bewusst – nicht um Kunden zu manipulieren, sondern um deinen echten Wert sichtbar zu machen.
Was du davon hast:
- Deine Marke wirkt klarer.
- Deine Preise wirken logischer.
- Deine Angebote wirken fairer.
- Kunden verstehen schneller, warum du mehr wert bist.
- Und du musst weniger erklären – weil der erste Eindruck die Richtlinie setzt.
Wir sorgen mit dir dafür, dass dein Anker stimmt, bevor du überhaupt ein Wort sagst.
Trait- und State-Marken
Markenpsychologie nutzt oft Vergleiche zu Menschen, weil sie komplexe Modelle greifbarer machen. Streng wissenschaftlich ist der Vergleich natürlich nicht vollständig – aber er hilft, zwei grundlegende Mechanismen zu verstehen: Trait und State.
Trait-Marken: der stabile Charakterkern
Trait steht für die dauerhaften, wiedererkennbaren Merkmale einer Marke:
Verlässlichkeit. Mut. Kompetenz. Ehrlichkeit.
Das sind keine kurzfristigen Kampagnenbotschaften, sondern der Charakter, der sich über Jahre durchzieht.
Beispiele:
- Volvo → Sicherheit
- Harley-Davidson → Freiheit
- NIVEA → Nähe & Vertrauen
Egal, wie sich die Kommunikation verändert – der Kern bleibt stabil.
State-Marken: die situative Ausdrucksform
State beschreibt die flexible Seite einer Marke:
Wie sie auf Trends, Stimmungen oder Themen reagiert.
Der Ton, nicht der Kern.
Beispiele:
- IKEA bleibt „sympathisch-chaotisch“ (Trait),
- wird aber je nach Anlass verspielt, emotional oder humorvoll (State).
- Coca-Cola bleibt „Lebensfreude“ (Trait),
- zeigt sie aber je nach Kontext anders: Sommer, Sport, Weihnachten (State).
- Netflix bleibt „Entertainment & Freiheit“ (Trait),
- spielt aber ständig mit neuen Stimmungen (State).
State ist die Anpassung.
Trait ist die Identität.
Die Kunst liegt im Zusammenspiel
Um es einzuordnen (bewusst vereinfacht):
Eine Marke braucht einen klaren Trait, damit sie erkennbar bleibt –
und einen flexiblen State, damit sie relevant bleibt.
Nur Trait → stabil, aber starr.
Nur State → flexibel, aber beliebig.
Die Wirkung entsteht in der Kombination:
Ein fester Kern, der sich nicht verbiegt –
und ein Ausdruck, der situativ mitschwingen kann.
Vertrauen, Denkfehler & Qualitätssurrogate
Wir alle nutzen mentale Abkürzungen. „Bekannt = sicher.“ „Teuer = gut.“ „Sympathisch = kompetent.“ „Schwer = wertig.“ Diese Heuristiken sind keine Schwächen – sie sind tief verankerte Mechanismen, die uns helfen, schneller zu entscheiden. Doch oft entscheiden wir nicht über echte Qualität.
Wir entscheiden vieles über Qualitätssurrogate:
Hinweise, die wir als Ersatz für Expertise nutzen, weil wir die tatsächliche Fachleistung nicht beurteilen können.
Beispiel:
Ein Mandant sucht einen Anwalt oder Steuerberater. Er kann die juristische oder steuerliche Qualität nicht wirklich messen.
Also schaut er auf Stellvertreter:
- Schreibweise
- Auftreten
- Ordnung
- Tonalität
- Struktur
- Unterlagen
- Website
- Kleidung
Diese Surrogate erzeugen ein Gefühl von Kompetenz – lange bevor echte Kompetenz sichtbar wird. Das ist kein Zufall, sondern ein psychologisches Grundmuster.
Doch dieselben Mechanismen führen uns auch in die Irre
1. Der Kontextfehler (Representativeness Bias)
„Ein ruhiger, sanftmütiger Mensch – Bibliothekar oder Landwirt?“
Die meisten sagen: Bibliothekar. Weil das Bild „passt“. Dass es tausendmal mehr Landwirte gibt, blendet das Gehirn aus.
2. Die Verfügbarkeitsheuristik
„Haben Politiker oder Schauspieler höhere Scheidungsraten?“
Es fühlt sich so an. Nicht weil es stimmt – sondern weil wir deren Scheidungen ständig in den Medien sehen. Die alltäglichen Scheidungen normaler Menschen erscheinen nicht auf Titelseiten. Das Gehirn bewertet nicht nach Statistik, sondern nach Sichtbarkeit.
Warum das für Marken entscheidend ist
Ob Menschen dir vertrauen, dich für kompetent halten oder bereit sind, deine Preise zu akzeptieren, hängt selten von echter Qualität ab.
Sondern davon, welche Qualitätssurrogate deine Marke liefert:
- klare Sprache
- konsistentes Auftreten
- gutes Design
- professioneller Aufbau
- logische Struktur
- ruhige, sichere Tonalität
- sichtbare Ordnung und Systematik
Diese Signale entscheiden, ob jemand denkt: „Das fühlt sich richtig an.“ Die Kenntnis solcher Denkfehler – und der Fähigkeit, sie verantwortungsvoll zu nutzen – ist ein grundlegender Bestandteil professioneller Markenführung.
Was du davon hast
Markenpsychologie ist kein Spiel mit Emotionen, sondern strategische Orientierung. Wir bei Citylights verbinden wissenschaftliche Modelle mit über 35 Jahren Markenpraxis:
- Wir analysieren, welche Frames bei deiner Zielgruppe wirken.
- Wir definieren den Anker, der Preis und Wert stabilisiert.
- Wir identifizieren, welche Traits deine Marke prägen –
- und wie sie als State-Marke flexibel bleiben kann.
- Wir übersetzen das in Sprache, Design und Content,
- damit Wirkung kein Zufall bleibt.
Marken sind mentale Abkürzungen
Marken sind keine Logos. Sie sind mentale Navigationssysteme. Sie helfen Menschen, in komplexen Märkten schnell zu entscheiden – emotional, aber nicht unlogisch. Und wer diese Mechanismen versteht, verkauft künftig nicht blind, sondern er überzeugt.
Ein Beispiel: Seit Jahren haben wir Monitore und Fernseher von Samsung und Mainboards von Asus in der Agentur und es ist eine richtige Erleichterung sich nicht den ganzen Markt ansehen zu müssen, sondern nur die Modelle dieser Hersteller.
Fazit: Wir sind Markenjunkies und ehrlich gesagt sind das alle Menschen irgendwie. Das gipfelt im Streit auf dem Schulhof, ob Apple oder Samsung die besseren Telefone hat.